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Thomas Birker

Ein Interview von Detlef Kurtz
geführt am 26. September 2022

Thomas Birker, der Kopf hinter Projekten wie Dreamland Grusel und Tony Ballard, stellt sich in diesem Interview unseren Fragen und hat eine besondere Ankündigung im Gepäck!

HörNews: Herzlich Willkommen bei HörNews.de! Es ist schon einige Zeit her, dass wir mal ein Interview gemacht haben. Jetzt kam Thomas Birker auf mich zu und hatte Lust darauf. Hallo Thomas!

Birker: Hallo lieber Detlef, hallo liebe Leser!

HörNews: Wer ist denn überhaupt Thomas Birker und was ist Dreamland?

Birker: Thomas Birker ist ein fast 50-jähriger junger Mann, der seit seiner Kindheit Hörspiele hört und damit zur Generation der Kassettenkinder gehört und der 2005 angefangen hat, selbst Hörspiele zu produzieren. Zu meinen Produktionen gehören zum Beispiel Serien wie: Dreamland Grusel, Tony Ballard, Andi Meisfeld, Dreamland Action, Dan Shockers Burg Frankenstein.

HörNews: Wann hast du deine ersten Hörspiele produziert?

Birker: Meine allerersten Produktionen sind 2003/2004 entstanden, das war damals Mac Kinsey. Mac Kinsey war eine semi-professionelle Fanproduktion. 2005 ging es dann professionell los.

HörNews: Kannst du dich noch an deinen ersten Tag im Studio erinnern?

Birker: Ich hatte sozusagen den Arsch auf Grundeis. Als ersten Sprecher hatte ich Christian Rode im Studio, der leider 2018 verstorben ist und später mein Freund und Mentor werden sollte. Viele kennen ihn vielleicht als „Sherlock Holmes“ oder als Beastman von „Masters of the Universe“. Bei uns war er bei Dreamland Grusel der Erzähler und bei „Tony Ballard“ der Tucker Peckinpah, ein reicher industrieller, der Tony unter die Arme greift.

HörNews: Ich habe gehört, dass er bei der ersten Aufnahme gesagt hat, dass du dich nicht zurückhalten sollst, sondern du ihn ruhig kritisieren darfst, weil er ja bezahlt wirst.

Birker: Ja, genau, das ist richtig. Er hat wohl gemerkt, wie ehrfürchtig ich war, weil er für mich seit ich ein kleiner Junge war eine der Hörspiel-Ikonen ist. Er sagte sinngemäß: „Thomas, du bezahlst diese Chose hier. Sag mir einfach, wenn dir etwas nicht gefällt. Wenn du Betonungen oder andere Dinge anders haben möchtest, machen wir das.“ Bei ihm und ein paar anderen Sprechern braucht man das eigentlich nicht machen, aber bei manchen Sprechern muss man als Regisseur tatsächlich auch mal unter die Arme greifen. Christian Rode, der 50 Jahre u.a. mit Shakespeare-Geschichten durch Europa getourt ist, braucht man aber quasi nie etwas näherbringen, weil er das Schauspielern von der Pike auf gelernt hat, bei ihm waren das höchstens mal kleinere Betonungs-Hinweise. Den Zweiten, den ich aufgenommen habe, war der sehr schüchterne Norbert Langer, der vielen als deutsche Stimme von Tom Selleck (zum Beispiel in Magnum) oder dem He-Man aus „Masters of the universe“ bekannt sein dürfte. Da hatten sich dann ja zwei Schüchterne gefunden und danach war für mich eigentlich der Knoten geplatzt und ich habe gemerkt, wie es im Business läuft. Mittlerweile hatte ich schätzungsweise 350 bis 450 Sprecher, Comedians und Musiker vor dem Mikrofon.

HörNews: Hast du schon einmal jemanden nicht bekommen, den du haben wolltest?

Birker: Ja, das gab es natürlich auch. Manchmal war es der finanziellen Lage geschuldet: Wenn jemand beispielsweise für eine Stunde Sprachaufnahmen 1000€ oder mehr verlangt, ist das im Hörspielbusiness im Gegensatz zum Synchron einfach nicht wieder zu verdienen. Andererseits arbeiten manche Schauspieler auch nur mit ganz bestimmten Firmen zusammen, was ich auch ein bisschen schade finde. Oder was auch häufig ein Problem ist, ist Zeitmangel, denn die Crème de la Crème der deutschen Synchron- und Hörspielbranche ist natürlich immer gut ausgebucht. Leider sind in den letzten 17 Jahren viele Sprecher- und Sprecherinnen verstorben, darunter Christian Rode, Peter Groeger, Gisela Trowe und Andreas von der Meden.

HörNews: Ja, das ist wirklich schade. Gerade Andreas von der Meden ist ja wirklich sehr früh verstorben.

Birker: Zu früh sind sie natürlich alle verstorben, muss ich zugeben. Ich habe leider auch letzte Woche A.F. Morland, den Autoren von „Tony Ballard“ verloren - mit 82. Man hätte wirklich gedacht, der macht noch 20 Jahre voll, so fit wie er war. Ähnlich war’s bei Christian Rode: Der ist im Februar 2018 gestorben und hatte mit mir noch Aufnahmen für Mai und Juni geplant und auch zahlreiche Synchronstudios sagten mir, sie hatten noch Termine mit ihm. Er stand also noch mitten im Business und seine Frau sagte mir: Er sei an dem Morgen reingekommen, es sei ihm nicht gutgegangen und er sei dann in ihren Armen zusammengebrochen. Leider war er dann sehr schnell nicht mehr unter uns. Ähnlich war’s jetzt auch bei A.F. Morland.

HörNews: Manchmal geht’s schnell.

Birker: Ja. Du hast völlig recht, wenn es junge Menschen trifft und jemand beispielsweise mit 40 oder 60 Jahren stirbt, dann rechnet da auch niemand mit dem Tod. Das ist dann sehr überraschend und für die Betroffenen sehr, sehr hart. Beispiele dafür sind zum Beispiel Veronica Neugebauer (Gaby aus TKKG oder deutsche Stimme von Neve Campbell aus SCREAM), Leon Boden oder Bernd Rumpf.

HörNews: Die Besetzung selbst soll schwieriger sein durch Netflix, Prime, Disney+, usw. Die Schauspieler hätten jetzt mehr zu tun. Stimmt das?

Birker: Es ist tatsächlich etwas härter geworden, ja. Aber da ich sehr menschlich bin und mir die Zeit nehme, ins Studio zu fahren und mit den Schauspielern direkt aufzunehmen, habe ich die Sprecher in 90% der Fälle auch gekriegt.

HörNews: Hast du schonmal jemanden erst durch Nachbohren / Überzeugungsarbeit bekommen?

Birker: Ja, ich habe mich fünf oder sechs Jahre lang um Andreas Fröhlich bemüht. Der hatte aber auch sehr viel um die Ohren, denn er war Synchronregisseur, hat Hörbücher und Hörspiele gesprochen. Man kennt ihn als Bob Andrews von den drei ???, die deutsche Stimme von Edward Norton und John Cusack, sowie Gollum. Mittlerweile hat er bei mir aber schon bei zwei Staffeln mitgesprochen und das wird mit Sicherheit nicht sein letzter Einsatz gewesen sein, weil die Arbeit mit ihm immer sehr angenehm ist.

HörNews: Es ist immer spaßig, ihn zu hören, weil er gut in die Rollen reingeht und immer authentisch ist. Bei manchen Schauspielern hört man, auch wenn sie es gut machen, dass sie nicht ganz so authentisch sind. Andere Sprecher klingen aber immer waschecht.

Birker: Das finde ich auch. Das liegt meiner Ansicht nach auch daran, ob das Schauspielern ein Job für jemanden ist oder eine Passion. Sprecher, die wirklich in die Rollen reingehen sind zum Beispiel Alexandra Lange, Dietmar Wunder, Sven Plate, Christian Weygand oder Tilo Schmitz. Schmitz mussten wir bei „Tony Ballard“ umbesetzen, weil er leider gesundheitlich angeschlagen war. Mittlerweile kann er aber zum Glück wieder Synchron und Werbung machen, was mich sehr freut. Er hatte eine Zeit lang mit seinem Kiefer zu kämpfen, weil sein Kieferchirurg wohl Mist gebaut hatte. Aber wenn er mir als Mr. Silver sagt: „Thomas, ich habe das Drehbuch an dieser Stelle geändert, weil Mr. Silver das so nie sagen würde…“, dann merke ich, dass er sich nach knapp 10 Jahren gut mit der Figur identifizieren kann.

HörNews: Wie lange braucht man für ein „Tony Ballard“ Skript? Das ist ja jedes Mal eine Bearbeitung vom Heft zum Hörspiel. Wie gehst du da vor?

Birker: Zunächst lese ich den Roman. Dann überlege ich mir, welche Sachen ich rauskürze und was ich anders umsetze. Was geht im Wechsel des Mediums verloren? Ich versuche beispielsweise nicht einzelne Figuren alleine durch die Gegend laufen zu lassen und sie dann dem Hörer berichten zu lassen, was sie sehen. In solchen Fällen versuche ich das durch eine Erzählpassage zu lösen oder ihnen eine andere Figur zur Seite zu stellen.

HörNews: Hast du schon einmal etwas bewusst ausgelassen, weil es zu visuell ist?

Birker: Ja, auch das kommt vor. Im Oktober kommt zum Beispiel Tony Ballard 46 raus. In dieser Folge gibt’s einen kleinen Oktopus, der telepathisch mit den Figuren kommunizieren kann. Im Roman hat er aber keinen Text gehabt. Ich habe ihm für meine Inszenierung Text gegeben. Im Vorfeld hatte ich mit Santiago Ziesmer telefoniert und ihn gefragt, ob er diese Figur auf Basis einer psychopathischen Variante des Ferkels aus „Winnie Puuh“ anlegen könnte. Und das hat er brillant gemacht.

HörNews: Wie gehst du mit Kritik um?

Birker: Kritik ist für mich ein zweischneidiges Schwert. Mit konstruktiver Kritik kann ich sehr, sehr gut umgehen. Wichtig ist, dass ich an den Dingen, die kritisiert werden, etwas ändern kann. Ich bin niemand, der ohne Fehler ist. Aus Fehlern kann man gut lernen. Wenn ich andererseits von jemandem höre: „Ich habe jetzt 20 Folgen Dreamland Grusel gehört. Das ist total scheiße und überhaupt nicht mein Geschmack.“, dann rate ich immer dazu, einfach andere Serien zu hören. Nicht jede Serie muss jedem gefallen.

HörNews: Du hattest mir schon gesagt, dass sich jetzt bei Dreamland einiges ändert. Was kommt da auf uns zu?

Birker: Bisher habe ich Dreamland nebenberuflich gemacht und immer zwischen sieben und zehn Hörspiele im Jahr veröffentlicht. In der letzten Zeit habe ich aus unterschiedlichen Gründen an Depressionen gelitten. Ich arbeite bisher im Schichtdienst in der Pharma-Industrie und dort ist das Klima und der Druck den Mitarbeitern gegenüber sehr unangenehm geworden. Deshalb habe ich mich jetzt dazu entschieden, mich zum 01. Oktober mit Auftragsarbeiten im Bereich Audioproduktion selbstständig zu machen. Dabei haben mir Sebastian Pobot von Maritim und andere Kollegen geholfen. Das bedeutet, dass ich den Kunden anbiete, für sie mit 17 Jahren Erfahrung und meinen Kontakten Hörbücher, Hörspiele und Podcast-Formate zu produzieren. Außerdem biete ich mit über 80 verfassten Manuskripten meine Dienste als Dialogbuch-Autor an. Zu meinen Dienstleistungen zählt auch der Dialogschnitt und die Disposition, also das Buchen von Sprechern und Studios, das Ausrichten von Veranstaltungen. Die HörspielCon, quasi die Nachfolge-Veranstaltung der HÖRMICH aus Hannover, veranstalte ich ja bereits und habe dort auch schon moderiert. Ich weiß, dass es schwierig ist, sich selbstständig zu machen - gerade in Zeiten der Inflation (Ukraine-Krieg, Corona-Pandemie, …). Aus diesem Grund versuche ich, mein Unternehmen auf mehreren Säulen aufzubauen. Momentan stehe ich am Anfang einer Sprecherausbildung.

HörNews: Wie erreichen dich denn potenzielle Kunden am besten?

Birker: Momentan geht das über ts-dreamland.de und ab dem 01. Oktober über thomasbirker.de und ansonsten kann man mich sehr gut über Facebook und Instagram erreichen.

HörNews: Wann kommen die nächsten Neuheiten?

Birker: Ich bin fleißig am Arbeiten! Gerade schreibe ich am großen „Tony Ballard“-Zyklus, in der Romanheftserie waren das die Romane 100-104. In der Hörspielserie werden es die Folgen 50-54 werden. In diesem Fünfteiler werden jede Menge Entscheidungen fallen: Die Fans wissen, dass Mr. Silver einen ominösen Sohn hat. Vielleicht wird ja offenbart, wer das ist. Wird Mr. Silver den Namen des Höllenschwerts herausbekommen? Was ist mit MARBU, der noch immer als Gewächs in Tony Ballard wuchert? Da könnte noch einiges auf Tony zukommen, es wird also sehr, sehr spannend… Ansonsten haben wir Folge 45 veröffentlicht und Folge 46 heute noch ans Presswerk geliefert. Bei Dreamland Grusel gruselt es hingegen in einem großen Projekt weiter: Folge 54 und 55 sind beides unabhängig voneinander Fortsetzungen des Kulthörspiels „Die Nacht der Todesratte“. Folge 54, „Die Rache der Todesratte“ von Raimund Junker, ist sehr, sehr dicht an der Vorlage geblieben und Folge 55, „Der Tag der Bestie“ von Markus Topf, ist sehr frei gegenüber der Original-Vorlage. Wir haben ansonsten Christin Marquitan als Claudine Dassot und Christian Stark als Henri Clement besetzt. Patrick Bach spricht den Kommissar. Den Professor Hasquet spricht mit seinen 95 Jahren Eckart Dux. Ansonsten sind Christian Weygand und Wolfgang Rüter dabei. Die Fans der NEON Gruselserie dürfen sich da also definitiv freuen! Für die neue Staffel habe ich übrigens auch die Vorgeschichte der Insel der Zombies, ein langjähriges Projekt, vorliegen.

HörNews: Wird Tony Ballard 50 dann etwas länger oder die normale Länge haben? Diese Folge basiert ja auf dem Heft Nr. 100.

Birker: Das Hörspiel wird eine normale Länge haben. Allerdings wird es ein ca. 45-minütiges Interview mit dem erst am 27.08.2022 verstorbenen A.F. Morland, also Friedrich Tenkrat, als mp3 Bonus-Track auf der CD geben. Im Streaming und im Downloadbereich wird das einfach hinten drangehängt.

HörNews: Dann danke ich dir, das ist ja etwas, worauf wir uns freuen können.

Birker: Ich danke dir für das Interview! Tschüss!

Herzlichen Dank an Thomas Birker für das Interivew und Felix Bartling für die Transkription und Übertragung des Selbigen auf die HörNews-Website.