Jazzkeller: Das neue Hörspielmusik-Album von Andris Zeiberts

Franziska Pigulla

Ein Interview von Markus Stengelin
geführt am 01. August 2002

Franziska Pigulla ist vor allem bekannt als die Synchronstimme von Gillian Anderson (Scully) in Akte X, aber auch im Hörspielbereich darf sie zeigen was sie als hervorragende Sprecherin leisten kann. Sie ist auch Jane Collins in JOHN SINCLAIR, mehr über sie und ihre Projekte gibt es nun im Interview...

HörNews: Wo befinden Sie sich gerade?

Pigulla: An meinem Schreibtisch in Berlin-Mitte.

HörNews: Wie war Ihr beruflicher Werdegang?

Pigulla: Reich an Kurven und Umwegen!

  • Studium der Allg. u. Vergl. Literaturwissenschaft, Germanistik, Anglistik und Geschichte
  • Schauspielausbildung in Berlin und London
  • Engagement an den (zu dieser Zeit noch existenten) Staatlichen Schauspielbühnen Berlin
  • kleine Film- u. Fernsehrollen (u.a. in: "Dr. M." von Claude Chabrol, "Tatort", etc.)
  • seit 1989 freiberuflich für div. Rundfunk- und Fernsehsender, u.a. BBC, RIAS, SfB, Deutsche Welle, SAT.1, n-tv, etc. als Sprecherin bzw. Moderatorin, incl. redaktioneller Mitarbeit, d.h. incl. eigener Texte, Moderationen, Beiträge, etc.

HörNews: Wie kamen Sie zur Synchronisation?

Pigulla: Ich habe Synchronarbeit von Anfang an als wesentlichen Zweig des Schauspielberufs verstanden und mich deshalb systematisch bei den entsprechenden Firmen beworben.

HörNews: Arbeiten Sie auch als Schauspielerin?

Pigulla: Abgesehen von meiner Synchrontätigkeit (s. Frage 3) z.Zt. nicht.

HörNews: Sind Sie noch bei N-TV zu sehen?

Pigulla: Seit Spätsommer 1997 nicht mehr.

HörNews: Können Sie sich noch an Ihre erste Synchronarbeit erinnern?

Pigulla: Oh ja, eine lustige "ich werde entdeckt"- Geschichte: Bereits während meiner Ausbildung bin ich eines Tages losmarschiert, um mir anzuschauen, wie Synchron so funktioniert. Bei einer Firma durfte ich ins Atelier, um meine zukünftigen Kollegen bei der Arbeit zu beobachten. Und tatsächlich tauchte auf der Leinwand plötzlich ein chinesisches Dienstmädchen mit drei Sätzen auf, für dessen Synchronisation man vergessen hatte, eine Schauspielerin zu bestellen. Kurzerhand hat also der Regisseur mich zu meinen ersten drei "Takes" verdonnert, was natürlich ganz großartig war, denn auf diese Weise hatte ich gar keine Zeit, Lampenfieber zu bekommen...

HörNews: Wie kamen Sie an die Rolle von Agentin Dana Scully in "Akte X"?

Pigulla: Peter Baumgartner, der bei den ersten Staffeln von "x-files" Synchronregie geführt hat, hatte die Idee, mich auf Gillian Anderson / Dana Scully zu besetzen, wofür ich ihm natürlich unendlich dankbar bin!

HörNews: Wie lange dauert die Synchronisation einer Staffel von "Akte X"?

Pigulla: Faustregel: In ca. 10 Tagen werden 3 Folgen synchronisiert (reine Atelierzeit)

HörNews: Finden die Aufnahmen mit Ihnen alleine statt, oder stehen Sie dabei auch zusammen mit anderen Kollegen, etwa mit Benjamin Völz (Anm.: Synchronsprecher von David Duchovny) im Studio?

Pigulla: Nach Möglichkeit zusammen mit den jeweiligen Kollegen, zumindest den Hauptcharakteren

HörNews: Haben Sie Gillian Anderson oder David Duchovny jemals persönlich getroffen?

Pigulla: Leider bisher noch nicht. Gillian Anderson würde ich sehr gern kennenlernen.
Allerdings hatte ich, wenn ich das an dieser Stelle einflechten darf, kürzlich, bei der Deutschland-Premiere von "Men in Black II - Back in Black", Gelegenheit, Lara Flynn Boyle kennenzulernen, die ich in ebendiesem Film synchronisieren durfte.
Ich sage "durfte", denn auch das war wirklich in jeder Hinsicht ein Vergnügen!!!...Und WIE ISSE NUN???...Tja also:
Sehr freundlich, und sehr sehr zart! - Was sehr für Ihre enorme Leinwandpräsenz spricht, denn dort ist sie ja nun, weiß Gott, alles andere als zerbrechlich...(GO AND SEE IT!!!)

HörNews: Gillian Anderson soll angeblich von Ihrer Synchronisation der Dana Scully so begeistert gewesen sein, dass sie seitdem versucht, ihre Stimme der von Ihnen anzugleichen. Ist an diesem Gerücht was dran?

Pigulla: Die Geschichte stimmt tatsächlich, und sie macht mich auch außerordentlich stolz: Eines Tages schickte mir eine Zuschauerin liebenswürdigerweise einen Mitschnitt von einem Rundfunk-Interview, das Gillian Anderson in England gegeben hatte. Und da sagt sie tatsächlich genau das! Allerdings hat dieser "Imitationsversuch", wie sie außerdem sagte, wohl nicht so recht funktioniert, weshalb sie ihn schnell wieder aufgegeben hat. Zu Recht, wie ich finde, denn mir persönlich gefällt ihre Stimme sehr gut, warum sollte sie also, wen auch immer, zu imitieren versuchen?

HörNews: Fällt Ihnen der Abschied von "Akte X" schwer? (Anm: Nächstes Jahr, nach Staffel 9 ist Schluss)

Pigulla: Ja und Nein. Einerseits sind die "x-files" in jeder Hinsicht ein außerordentlicher Glücksfall: Eine tolle Serie mit großartigen Schauspielern, in der man über neun Jahre hinweg eine Hauptrolle synchronisieren darf, gemeinsam mit einem festen Team von Kollegen (wir sind "schon fast eine Familie"), die einem die Zusammenarbeit - und ich sage das ohne Übertreibung - zu einem schieren Vergnügen machen...und dann wird das Ganze zu allem Überfluß noch ein solcher Erfolg...Wann hat man das schon??? - Andererseits glaube ich auch, frei nach dem Motto "Wenn's am schönsten ist, soll man geh'n", daß es gut sein wird, wenn die X-Akten demnächst endgültig geschlossen werden, damit sich das Phänomen der unerklärlichen Phänomene nicht totläuft.

HörNews: Man hört Sie auch als Sprecherin in Fernsehsendungen wie "Akte 02" in Sat 1, "Galieleo" auf Pro Sieben oder "Autopsie" bei RTL 2. Wie laufen solche Aufnahmesessions ab und wie zeitaufwändig sind sie?

Pigulla: Reportagemagazine, wie "Akte 02" oder "Galileo" werden aufgrund des hoheh Anteils von tagesaktuellen Beiträgen fast immer am Sendetag selbst vertont, wobei man die Texte in der Regel erst unmittelbar vor der Aufnahme erhält. Magazine mit eher dokumentarischem Charakter, wie z.B. "Autopsie", haben meistens einen längeren Produktionsvorlauf, d.h., man vertont mehrere Folgen gebündelt hintereinander, mitunter Wochen vor den eigentlichen Sendeterminen.

HörNews: Zur Sendung "Autopsie", in der in reisserischer Manier über (meistens) brutale Verbrechen, oft unter Zuhilfenahme von echten Autoipsie-Fotos berichtet wird, ist eine Frage aufgetaucht. Sehen Sie die Dinge immer, die Sie kommentieren? Inwieweit distanzieren Sie sich davon?
Oder etwas provokanter gefragt:
Gibt es Dinge, für die Sie Ihre Stimme nicht "hergeben" würden?

Pigulla: Zunächst einmal ist zu bemerken, daß "Autopsie" nicht in erster Linie über die Verbrechen als solche berichtet, sondern vielmehr über deren Aufklärung, will sagen, speziell über die Arbeit der Kriminaltechniker, Ballistiker, Gerichtsmediziner, usw.
Was die formale Präsentation angeht, wird sich RTL II sicherlich von einem Sender wie, sagen wir, arte, unterscheiden.
Dennoch kann man, was "Autopsie" betrifft, RTL II, meiner Ansicht nach, nicht den Vorwurf der Unseriosität machen:
Erstens sind die behandelten Fälle, leider Gottes, aber tatsächlich, authentisch. Die gezeigten Bilder dienen zweitens immer nur dazu, den jeweiligen Ermittlungsverlauf zu illustrieren.
An dieser Stelle ist übrigens auch anzumerken, daß ein Großteil der Bilder, die über amerikanische Bildschirme geflackert sind, in der deutschen Bearbeitung bereits im Vorfeld herausgeschnitten wurde.
UM IHRE FRAGE ZU BEANTWORTEN: Generell gesagt, ist es, meiner Ansicht nach, nicht meine Aufgabe als Sprecherin, Inhalte zu bewerten. Ich distanziere mich insofern von Inhalten, als eine gewisse Distanz für eine unbelastete Interpretation, nach meinem Erachten, unabdingbar ist.
Natürlich gibt es auch Inhalte, die mit meinen persönlichen Überzeugungen absolut nicht vereinbar wären. Glücklicherweise ist mir das erst einmal passiert, d.h. ich wollte aus persönlichen Gründen einen Beitrag in der vorliegenden Form nicht sprechen. Der verantwortliche Redakteur hatte dafür Verständnis, und ich habe den Beitrag nicht gesprochen.

HörNews: Nun ein paar Fragen zu den SINCLAIR-Hörspielen:
Wie kamen Sie an die Rolle der Jane Collins?

Pigulla: Wieder: GLÜCK! - Oliver Döring und Marc Sieper haben mich besetzt.

HörNews: Die Parts werden meines Wissens nach ja einzeln aufgenommen. Gibt dennoch während oder gab es vor den Aufnahmen mal ein Treffen der Gesamtbesetzung (Hauptcharaktere)?

Pigulla: Meines Wissens nicht (abgesehen von Festivals, Buchmessen, etc.) - das wäre auch schwierig, denn wir sind ja nicht nur wie ein Sack Flöhe, sondern außerdem auch noch in alle Himmelsrichtungen verstreut....

HörNews: Wie bereiten Sie sich auf eine Hörspielaufnahme vor?

Pigulla: Lesen, lesen, lesen, denken, denken, denken....Lesen, lesen.....

HörNews: Für wieviele SINCLAIR-Folgen sind Sie verpflichtet? Wie viele sind insgesamt geplant?

Pigulla: Na, mal sehen, wie lange die Fans und wir durchhalten!....

HörNews: Wie lange dauert Ihre Arbeit an einer SINCLAIR-Staffel?

Pigulla: Das weiß ich leider nicht, weil ich ja, wie gesagt (siehe Frage 16) meinen Part, ebenso wie die anderen, einzeln aufnehme.

HörNews: Wie gefallen Ihnen die SINCLAIR-Hörspiele persönlich?

Pigulla: Ganz prima! --: Erstmal bin ich sowieso, und noch aus Teenager-Tagen, Sinclair-Fan (Glaubt mir keiner, stimmt aber! - Fragen Sie meine beste Freundin!!!...).! Und außerdem bin ich von den Audio-Ergebnissen schwer beeindruckt!!! Ich glaube, das Geheimnis liegt darin, daß alle Beteiligten so viel Spaß an der Arbeit hatten - und das hört man eben auch!!!

HörNews: Hören Sie selbst gern Hörbücher? (Welche?)

Pigulla: Jaaa!!!... Aber ich fang' doch gerade erst an!...
Iris Berben fand ich ganz großartig, mit "Der stille Herr Genardy" von Petra Hammesfahr (Lübbe Audio)
und Christian Brückner mit "3 Weeks after Paradise - Eine Stimme aus New York City" von Israel Horovitz
(Hoffmann&Campe), oder mit "Auf dem Jakobsweg" von Paulo Coelho (Steinbach Sprechende Bücher)
- Wenn ich nächstens mein Side-Board frisch bepinsele, werde ich mir Otto Sander mit "Das wilde Fest" von Joseph Moncure March (Der Audio Verlag) anhören, da freu' ich mich schon! - Das ist auch mit Jazzmusik!

HörNews: Was unterscheidet Ihrer Meinung nach die Synchronarbeit von der Arbeit an einem Hörspiel oder Hörbuch?

Pigulla: Synchron ist Sprint. Hörbuch ist Marathon.
Will sagen: Beim Synchron muß man auf kürzester Distanz immer wieder bis zum Äußersten präzise sein, um nicht nur, idealerweise, die Intention des betreffenden Schauspielers / der Schauspielerin zu transportieren, sondern möglichst auch seinen / ihren sprachlichen Rhythmus abzudecken.
Beim Hörbuch muß man auf all dies' keine Rücksicht nehmen - HURRA!....Allerdings ist man auch (fast) ganz allein - OH WEH!!!....Man braucht also einen langen Atem und (schonwieder:) Konzentration!

HörNews: Welche der Arbeiten macht Ihnen am meisten Spaß?

Pigulla: Ich möchte das Eine nicht ohne das Andere, und viele weitere "Andere" tun!!!
Die Vielfalt der Inhalte und Arbeitsweisen macht es mir möglich, immer wieder frisch an jede neue Aufgabe heranzugehen!

HörNews: Wenn Sie mal nicht synchronisieren, was machen Sie so in Ihrer Freizeit?

Pigulla: Freunde treffen, tanzen gehen (mit Freunden!), kochen (für Freunde!), lesen, in meiner Wohnung herumpusseln....

HörNews: Bekommen Sie viel Fanpost? Beantworten Sie sie persönlich?

Pigulla: Ja, und ich weiß nicht, ob viel. Inzwischen weniger, als zu "x-files"-Spitzenzeiten.
Ich beantworte die Post persönlich, wobei ich mir allerdings für die, am häufigsten gestellten Fragen einen "Einheits- Antworten-Katalog" zusammengestellt habe, den ich bei Bedarf verschicke...(Wer weiß, vielleicht kann ich das hier bei Gelegenheit auch noch mal verwenden...)

HörNews: Hören Sie sich selbst gern im Fernsehen oder im Kino?

Pigulla: Wenn ich die Gelegenheit habe, überprüfe ich meine Arbeit schon gern. Vom Grad meiner Zufriedenheit mit derselben hängt dann ab, wie gern ich mich höre...

HörNews: Können Sie noch unbefangen ins Kino gehen, oder haben Sie statt der Schauspieler nur noch Ihre Synchron-Kollegen vor Augen?

Pigulla: Wie heißt es so schön: "Die beste Synchronisation ist die, die man nicht merkt!" - Und was soll ich sagen, diesen Satz fand ich gerade vorgestern wieder bestätigt: "GOSFORD PARK" von Robert Altmann - Wer den noch nicht gesehen hat:
Unbedingt hingehen!!! - Toller Film, und tolle Synchronisation - die man eben komplett vergißt! Sehr gut!

HörNews: An welchen Projekten (Hörspiel, Hörbuch, Synchronisation) arbeiten Sie momentan / in nächster Zeit?

Pigulla: Ich arbeite z.Zt. an:

  • Synchron: "The X-Files", die letzte Staffel
  • Hörbuch: "Denn vergeben wird dir nie" von Mary Higgins Clark (HEYNE HÖRBUCH)

Außerdem z.Zt. aktuell, d.h. gerade angelaufen, oder erscheint demnächst:

  • Synchron: "Men in Black II - Back in Black" (Lara Flynn Boyle, Rolle: "Serleena")
  • Hörbuch: "Die Botschaft der Baumfrau" von Julia Butterfly Hill (Steinbach Sprechende Bücher)
  • Hörbuch: "Die Leopardin" (gemeinsam mit Joachim Kerzel) von Ken Follett (Lübbe Audio)
  • Hörbuch: "Das letzte Revier" von Patricia Cornwell (Hoffmann&Campe)

HörNews: Noch ein paar letzte Worte an Ihre Fans?

Pigulla: In der Hoffnung, das dies nicht meine "letzten Worte" an die Fans sind,...möchte ich gern zitieren:
"YOU ARE IT, YOU MAKE US, WHAT WE ARE!"
Ich weiß nicht mehr, wer das mal gesagt hat, aber ich finde, sie, oder er, hat Recht!
Und in diesem Sinne möchte ich mich ganz herzlich bei allen Fans bedanken:

  • für EURE LEIDENSCHAFT
  • für EURE AUSDAUER
  • für EURE GEDULD
  • für EURE AUFMERKSAMKEIT
  • dafür, daß Ihr die, wie (nicht nur) ich finde, große Qualität von "x-files" erkannt habt und ihr treu geblieben seid! - Bitte macht weiter so, und laßt Euch auch weiterhin keinen Trash verkaufen!
  • für EURE LIEBE! - Auch wenn man erstmal gar nichts damit anzufangen weiß - ganz ehrlich: Es tut schon ganz schön gut, soooviel Post zu bekommen...Nochmals vielen Dank!!!

HörNews: Frau Pigulla, vielen Dank, dass Sie sich Zeit für diesen Fragebogen genommen haben!

Vielen Dank an Marc Sieper für die Kontakthilfe und freundliche Unterstützung! Das Interview wurde im April 2022 von Felix Bartling auf die neue HörNews-Webseite übertragen.